Jetzt sind wir seit einigen Wochen in Palästina, das Staunen geht weiter, die Empörung über erlebte Ungerechtigkeit wird grösser aber wir fühlen uns auch schon sehr heimisch und Einiges, das uns zu Beginn fremd vorkam, ist bereits zur lieben Gewohnheit geworden.
Woran wir uns sehr schnell und voller Begeisterung gewöhnten ist das köstliche Tabun-Brot, das uns die Frauen aus dem Dorf jeden Morgen liebevoll und herzlich anbieten. Der Tabun ist ein Holzbackofen, der Teil jeden Bauernhauses ist. Er befindet sich in einer kleinen Hütte in der Nähe des Hauses. Im Boden ist eine Vertiefung als Feuerstelle angebracht. Wenn das Feuer nur mehr glüht, werden die Weizenteigfladen auf heiße Steine gelegt, mit einem Metall abgedeckt und dann kommt oben nochmals die heiße Kohle darauf. Das Backen dauert nicht allzu lange, denn der Teig ist ziemlich dünn ausgezogen, das Brot wird knusprig, teilweise leicht verbrannt aber es schmeckt wunderbar, vor allem, wenn es heiß aus dem Ofen kommt. Gebacken wird am Morgen und am Abend. Das echt palästinensische Frühstück besteht aus frisch aufgebrühtem Tee, oft mit maramia (Salbei aus dem eigenen Garten) verfeinert, leicht gezuckert, sehr schmackhaft und durch den Salbei noch dazu gesund, dazu Tabun Brot, welches man in Olivenöl und Zaatar taucht. Zaatar ist eine Gewürzmischung, die in der Kombination mit dem herrlich starken hausgemachten Olivenöl und dem frischen Brot ein einfaches und trotzdem köstliches Mahl ergibt. Manchmal gibt es dazu noch ein auf dem Tabun gegrilltes Stück Ziegenkäse. Ja und nicht zu vergessen die Oliven. Die Frauen aus unserem Dorf füllen die Oliven mit Mandeln oder Ziegenkäse und das wird dann in Olivenöl mariniert.
Einstmals verlief das Leben friedlich und ruhig in Yanoun, einem kleinen Dorf im nördlichen Teil der Westbank. Die Menschen sind Selbstversorger-Bauern und bewirtschaften ihre Olivenhaine so, wie es ihnen ihre tausendjährige Tradition lehrt. Schafe und Ziegen werden täglich zwei Mal auf die Weide getrieben und aus der Milch wird köstlicher Käse und Joghurt bereitet und an Festtagen kommt ein Lamm auf den Tisch. Das beschauliche Leben war plötzlich vorbei, als rund um Yanoun immer mehr Siedlungen gebaut wurden. 6 Jahre wurden die Menschen belästigt, angegriffen und bedroht und im Jahr 2002 erreichten die Angriffe ihren Höhepunkt. Die Menschen mussten das Dorf verlassen, weil sie von den Siedlern mit dem Tod bedroht wurden. Einige mutige Bewohner kamen aber nach einigen Tagen zurück, sie wurden von israelischen und internationalen Friedensaktivst*innen begleitet.
Einsatz für den Frieden in Yanoun
Im Jahr 2003 haben dann die Menschen des Dorfes um internationale Friedensbeobacher*innen gebeten und so kam es, dass seit diesem Jahr der Weltkirchenrat EAs (Ecumenical Accompaniers) hierher entsendet. Die Siedler haben deswegen zwar ihre Angriffe nicht eingestellt, aber die Situation hat sich wesentlich verbessert, und die Menschen sind für unsere Präsenz sehr dankbar. Wir werden immer wieder in die Häuser eingeladen, mit Tee und Kaffee bewirtet, die Menschen versuchen mit uns zu kommunizieren, obwohl wir kein Arabisch sprechen. Alle kramen ihren englischen Wortschatz zusammen und das Wort ‚Welcome‘ hören wir ständig. Das machen sie nicht nur aus Dankbarkeit, die Palästinenser sind ein unglaublich gastfreundliches und herzliches Volk, daher fühlen wir uns seit dem ersten Tag unseres Aufenthaltes in Yanoun rundum wohl.
Aber einige Familien haben aufgegeben, von den ca. 20 Häusern in Yanoun sind nur mehr 8 oder 10 bewohnt, das ist nur zu verständlich, andererseits verdienen jene, die trotz allem widerstehen und bleiben, meine größte Bewunderung. Natürlich können wir gegen die Siedler nichts machen, aber unsere Anwesenheit ist halt doch ein Störfaktor und verhindert ihre allzu aggressiven Aktionen, denn sie wollen ja nicht, dass ihr Treiben international bekannt wird. Die Absicht der Siedler ist es, die palästinensischen Menschen aus ihrem Heimatland zu vertreiben und so das gesamte Territorium zu übernehmen. Sie beginnen mit dem Bau ihrer illegalen Siedlungen und rauben dann das Land, indem sie den Palästinensern nicht mehr erlauben, gewisse Gründe zu betreten, somit haben ihre Schafe nicht mehr genug zum weiden und sie müssen teures Futter kaufen. Manche haben das Geld dazu nicht und sind dann gezwungen, ihre Schafe zu verkaufen. Das Betreten ihrer Olivenhaine wird den Palästinensern auch oft verboten bzw. auf ganz kurze Zeitspannen limitiert. Wer Landwirt ist wird verstehen, dass ein Bauer seine Gründe immer betreten möchte. Aber nicht nur das, der Olivenbaum ist nicht nur eine Einkommensquelle und Hauptnahrungsmittel sondern auch ein Kulturerbe: die Olivenernte ist ein Fest, der Olivenbaum ist die Tradition dieses Landes, es gibt Bäume, die sind 1500 Jahre alt und die Menschen fühlen sich durch die Olivenbäume in ihr Land verwurzelt, manche sagen, dieser Baum ist ihre Identität. Die Israelis wissen das, und verbrennen daher die Bäume oder reißen sie aus. Die Palästinenser müssen schweigend zusehen, wenn sie nicht ihr Leben riskieren wollen und dann ist es nur allzu verständlich, dass manchmal Wut und Machtlosigkeit angesichts dieser himmelschreienden Ungerechtigkeiten – die zwar von der Welt als solche verurteilt, deren Ausführung aber nicht unterbunden werden – in Gewalt umschlagen.
Wir sind hier als ‚protective presence‘ (= schützende Anwesenheit). Seit 2003 sind in Yanoun ständig mindestens 3 EAs präsent. Eine Person hält sich immer im Dorf auf, zwei Menschen machen den morning und evening walk. Um 7.00 Uhr früh und um ca. 17.00 Uhr am Nachmittag drehen wir unsere Runde, wir tragen unsere Gilets mit unserem Logo, damit die Siedler mit dem Fernrohr sehen, dass sich in Yanoun fremde Menschen aufhalten. Am Morgen gehen wir auf der Straße von Ober-Yanoun bis Unter-Yanoun und dann Richtung Osten, auf der alten Nablus -Straße. An einem gewissen Punkt dieser Straße müssen wir umkehren, denn vor einigen Jahren kamen die Siedler und verboten den EAs das Weitergehen. Es wäre nicht klug, das nicht einzuhalten, denn die Siedler rufen bei jeder Kleinigkeit die Armee und die steht natürlich auf der Seite der Siedler. Am Abend gehen wir auch bis Unter-Yanoun und dann Richtung Osten auf einen Feldweg, bis wir an eine Siedlerstraße stoßen, die wir auf gar keinen Fall betreten dürfen. Von hier haben wir eine wunderbaren Ausblick ins Jordantal und sogar die Berge von Jordanien sind sichtbar. Jedes Mal, wenn wir ins Jordantal hinunterschauen und uns immer wieder an der Schönheit dieses Landes berauschen trösten wir uns damit, dass uns die Siedler wenigstens die Aussicht nicht rauben können.