Das letzt mahl habe ich euch erzählt, wie Khaled und seine Familie lebt. Ich habe auch angedeutet, dass das leben hier nicht immer so ruhig ist. Er hat mir ein paar Episoden aus seinem Leben erzählt.
2001 kommen Siedler in Begleitung von Soldaten auf sein Feld und besichtigen das Land . Sie wollen eine neue Siedlung errichten. Khaled erklärt, dass dies sein Land ist. Aus einiger Entfernung, denn er weiß, dass Siedler sehr gefährlich sein können. Auf einmal greift ein Siedler nach dem Gewehr eines Soldaten und schießt Khaled in den Unterleib. Er erwacht wieder im Krankenhaus. Nach 6 Monaten kann er es verlassen. Er zeigt uns seinen Bauch. Dieser hängt unförmig über den Gürtel herunter. Viele Narben und Verwachsungen sind sichtbar.
Der Siedler ist drei Tage im Gefängnis und wird dann in die USA abgeschoben. Das war´s. Jedoch die Siedlung wurde unter dem Schutz des Militärs gebaut.
2004 sieht er einen Siedler, der auf seinem Grund Wein anbaut. Als er ihm sagt, dass es sein Land sei, bekommt er zur Antwort: „mir wurde es von Gott gegeben“ . Kahled geht vor Gericht und bekommt Recht. Jedoch erst nach 7 Jahren Kampf. Außergewöhnlich ist, dass der Siedler das Land auch zurückgeben muss. Viele bekommen Recht, aber ohne dass die Siedler das Land verlassen müssen. Für uns unvorstellbar. Die 7 Jahre Ernteausfall werden nicht ersetzt. Auch nicht die Gerichtskosten.
Obwohl Khaled nachweisen kann, dass es sein Land ist, sind alle „Konstruktionen“ auf seinem Grund illegal. Ihr wundert euch sicher über den Begriff Konstruktionen. Selbst für einen einfachen Zaun benötigen die Palästinenser eine Baugenehmigung, denn dies ist eine Konstruktion. Die Baugenehmigung erteilt in Area C (lt. Oslo Abkommen wurde Palästina in drei Zonen zergliedert) die Militärbehörde diese Genehmigungen. Für die palästinensische Bevölkerung werden diese nur für ca. 1% des Landes erteilt. Es ist also für diese Menschen so gut wie unmöglich, legal etwas zu errichten. So kommt es, dass das ganze Dorf Qawawis, in dem Khaled wohnt, aus illegalen Gebäuden besteht. Das erklärt auch, warum die Menschen in diesen primitiven Behausungen wohnen.
Während Kahled seine Geschichten erzählt schaue ich ihm ins Gesicht. Ein ernstes, freundliches Gesicht. Ich spüre keinen Hass und keine Verbitterung. Nur die Entschlossenheit, sein Leben als freier Bauer zu leben.
So gibt es hier immer wieder Zwischenfälle. Der letzte war in diesem Mai, da wurde die ganze Getreideernte von Siedlern verbrannt. Ohne Folgen für die Siedler.
In einem Bericht einer EAPPI Gruppe vor uns lese ich, dass ein Siedler aus dem Auto aussteigt und die Schafe vertreibt und mit Steinen bewirft. Anwesende israelische Friedensaktivisten versuchen dem Schäfer zu helfen. Es kommt zu Auseinandersetzungen. Die Polizei kommt. Verhört alle Anwesenden mit Ausnahme des Siedlers und verhaftet anschließend den Schäfer.
Wenn die Bauern aufgeben, und das Land im Bereich der Siedlung 3 Jahre nicht mehr bewirtschaften, wird es von Israel konfisziert.
Das ist die Realität in Zone C. Für mich gezielte Vertreibung.
Wir können diesen Menschen insofern helfen indem wir sie tageweise bei der Arbeit begleiten und ihnen subjektiven Schutz geben. Auch dass ihre Anliegen ernst genommen werden, wir sie begleiten, gibt ihnen Kraft zu bleiben.
Damit die Situation noch etwas greifbarer wird. Die Siedler haben genug Wasser aus der öffentlichen Versorgung, so dass sie auch ihre Weinreben bewässern können. Selbst die nach isrealischem Recht illegalen Outpost’s haben Strom und Wasseranschluss. Die Straßen sind asphaltiert. Die Palästinenser, nur wenige hundert Meter daneben sammeln das Wasser in Zisternen oder müssen das Wasser mit Tankwagen herführen. Dabei werden sie aber immer wieder behindert, da sie die Straßen der Siedler benützen müssen. Den Strom erzeugen sie mit Solarpanelen, Windkraft oder Dieselagregaten. Diese Infrastruktur wird aber immer wieder zerstört, da es dafür keine Baugenehmigung gibt, obwohl diese oft mit Hilfsgeldern aus Europa errichtet werden.